76
Das Lernvermögen ist eine Gabe; Die Lernfähigkeit ist ein Geschick; Die Lernwilligkeit ist eine freie Wahl.
Rebec von Ginaz
Heute würde sich entscheiden, ob die Schüler der Schwertmeister überlebten oder starben.
Der legendäre Mord Cour stand neben einer Sammlung verschiedener Waffen und beriet sich leise mit dem Ausbilder Jeh-Wu. Nach einem morgendlichen Regen war der Trainingsplatz feucht und rutschig. Die Wolken hatten sich immer noch nicht verzogen.
Bald werde ich ein Schwertmeister sein, sowohl physisch als auch mental, dachte Duncan.
Wer diese Examensphase bestand – oder überlebte? –, würde sich weiteren Prüfungen unterziehen müssen, in denen es um die Geschichte und Philosophie der Kampfdisziplinen ging, die sie studiert hatten. Danach würden die Sieger zur Hauptinsel zurückkehren, die heiligen Reliquien von Jool-Noret zu Gesicht bekommen und die Heimreise antreten.
Als Schwertmeister von Ginaz.
»Ein Tiger an einem Arm, einen Drachen am anderen«, rief Mord Cour. Sein silbergraues Haar war um ganze zehn Zentimeter länger geworden, seit Duncan ihn das letzte Mal auf der kargen Vulkaninsel gesehen hatte. »Ein großer Krieger ist in der Lage, jedes Hindernis zu überwinden. Nur ein wahrlich großer Krieger kann den Korridor des Todes überleben.«
Von den ursprünglich 150 Schülern seiner Klasse waren nur noch 51 übrig – und durch jeden gescheiterten Kameraden hatte Duncan etwas gelernt. Jetzt standen Hiih Resser und er, die mit Fug und Recht zu den besten Schülern gehörten, Seite an Seite da, wie es im Verlauf der Jahre ihre Gewohnheit geworden war.
»Korridor des Todes?« Resser hatte einen Teil seines linken Ohres bei einer Messerkampfübung verloren. Seitdem war er der festen Ansicht, dass die Narbe ihn als kampferprobten Veteranen auswies. Er hatte beschlossen, den Schaden niemals durch eine kosmetische Operation beheben zu lassen.
»Nur eine rhetorische Übertreibung«, sagte Duncan.
»Meinst du?«
Duncan atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und konzentrierte sich auf das ermutigende Gefühl, das Schwert des alten Herzogs in der Hand zu halten. Das Seilmuster des Knaufs glänzte im Sonnenlicht. Eine Waffe, auf die man stolz sein kann. Er schwor sich, ihrer würdig zu sein, und war froh, dass er das Schwert jetzt wieder führen durfte.
»Nach acht Jahren ist es etwas zu spät zum Aussteigen«, sagte er.
Der Parcours war durch ein Kraftfeld vor den Blicken der versammelten Schüler abgeschirmt. Um die Prüfungen zu überleben und den Ausgang zu erreichen, mussten sie angemessen auf Kampfmaschinen, Solidholo-Illusionen, versteckte Fallen und andere Dinge reagieren. Dies sollte ihr letzter praktischer Test sein.
»Tretet vor und wählt eure Waffen!«, rief Jeh-Wu.
Duncan steckte sich zwei kurze Messer in den Gürtel, an dem er bereits das Schwert des alten Herzogs trug. Er wog eine schwere Keule in der Hand, tauschte sie dann jedoch gegen einen langen Kampfspeer aus.
Jeh-Wu schüttelte die schwarzen Locken und kam näher. Obwohl er mit energischer Stimme sprach, lag darin ein Unterton des Mitgefühls. »Einige von euch betrachten diese letzte Prüfung möglicherweise als grausam, viel schlimmer als jede wahre Kampfsituation. Aber wahre Kämpfer müssen in einer harten Schmiede aus wirklichen Gefahren gestählt werden.«
Während er wartete, dachte Duncan an Glossu Rabban, der keine Gnade gezeigt hatte, als er auf Giedi Primus Menschen gejagt hatte. Wahre Ungeheuer wie die Harkonnens dachten sich viel sadistischere Qualen aus, als Jeh-Wus Phantasie sich jemals vorzustellen vermochte. Er holte tief Luft und versuchte, den schwächenden Anfall der Furcht zu unterdrücken. Stattdessen stellte er sich bildlich vor, wie er die Prüfung siegreich überstand.
»Wenn Ginaz einen Schwertmeister einem Adelshaus überantwortet«, fuhr der alte Mord Cour fort, »dann legt diese Familie ihr Leben, ihre Sicherheit und ihr Vermögen in seine Hände. Angesichts dieser Verantwortung kann keine Prüfung zu schwierig sein. Einige von euch werden heute sterben. Daran gibt es keinen Zweifel. Wir sind verpflichtet, dem Imperium nur die besten Kämpfer zur Verfügung zu stellen. Es gibt kein Zurück mehr.«
Die Tore öffneten sich. Helfer mit Listen in den Händen riefen Namen, einen nach dem anderen, und mehrere Schüler traten ein. Sie verschwanden hinter der Abgrenzung. Resser gehörte zu den Ersten, die aufgerufen wurden.
»Viel Glück!«, wünschte er Duncan. Sie gaben sich die Hand zum imperialen Gruß, dann musste er gehen. Ohne sich noch einmal umzublicken, durchschritt der Rotschopf das unheilverkündende Tor.
Acht Jahre hartes Training erreichten in diesem Moment ihren Höhepunkt.
Duncan wartete hinter den anderen Schülern. Manche waren nervös und schweißnass, andere prahlten zuversichtlich. Eine weitere Gruppe ging durch das Tor. Sein Magen verkrampfte sich erwartungsvoll.
»Duncan Idaho!«, rief schließlich einer der Assistenten. Durch die Öffnung sah er, wie sich der letzte aufgerufene Schüler gegen Waffen zur Wehr setzte, die ihn von allen Seiten bedrängten. Der junge Mann sprang, drehte und duckte sich, bis er zwischen den Kampfmaschinen aus Duncans Blickfeld verschwand.
»Kommen Sie, es ist gar nicht so schwierig!«, tönte der schwergewichtige Helfer. »Wir hatten heute schon ein paar Überlebende.«
Duncan entließ ein stummes Stoßgebet und machte sich auf den Weg ins Unbekannte. Hinter ihm schloss sich das Tor mit einem bedrohlichen Donnerschlag.
Er konzentrierte sich und versetzte seinen Geist in einen Zustand, der ihm sofortige Reaktionen ermöglichte. Gleichzeitig hörte er einen Chor aus Stimmen: Paulus Atreides, der ihm sagte, dass er alles erreichen konnte, was er sich vornahm; Herzog Leto, der ihn ermahnte, niemals vom Weg der Moral und des Mitgefühls abzuweichen; Thufir Hawat, der ihm riet, stets sämtliche Punkte in einem halbkugelförmigen Bereich um seinen Körper im Auge zu behalten.
Zwei Kampfmaschinen lauerten auf beiden Seiten des Korridors, Monster aus Metall, die jede seiner Bewegungen mit funkelten Sensoraugen verfolgten. Duncan stürmte los, hielt plötzlich an, führte einen Scheinangriff aus, duckte sich und lief weiter.
Behalte alles im Auge. Duncan wirbelte herum, stieß mit dem Speer nach hinten und hörte, wie die Spitze gegen scharfkantiges Metall prallte. Dadurch wehrte er eine Waffe ab, einen Speer, den die Maschine in seine Richtung geworfen hatte. Eine perfekte Reaktion. Misstrauisch bewegte er sich auf den Fußballen weiter, während er auf sein Gleichgewicht achtete und bereit war, in jede Richtung auszuweichen.
Die Worte seiner Lehrer kamen ihm wieder in den Sinn – des grauhaarigen Mord Cour, des leguangesichtigen Jeh-Wu, des fetten Rivvy Dinari, des stutzerhaften Whitmore Bludd und selbst des ernsten Jamo Reed, des Wächters der Gefangeneninsel.
Für die Ausbildung in Tai-Chi war eine attraktive junge Frau verantwortlich gewesen. Ihr Körper war so biegsam, dass es schien, als würde er nur aus Sehnen bestehen. Ihre sanfte Stimme war trotzdem scharf gewesen. »Erwarte das Unerwartete!« Einfache Worte, in denen jedoch eine tiefe Wahrheit lag.
Die Mechanik der Kampfmaschinen wurde durch Sensoraugen ausgelöst, die auf seine Bewegungen reagierten. Doch gemäß den Prinzipien von Butlers Djihad konnten sie nicht wie er denken. Duncan rammte die Metallspitze seiner Lanze in eine Maschine, dann drehte er sich und wandte dieselbe Taktik gegen die andere an. Mit einem akrobatischen Manöver wich er nur knapp mehreren Messern aus, die in seine Richtung geflogen kamen.
Während er weiterging, musterte er den hölzernen Pfad unter seinen Füßen und hielt nach Druckflächen Ausschau. Die Bretter wiesen frische Blutflecken auf, und seitlich des Parcours sah er einen verstümmelten Körper, aber er nahm sich nicht die Zeit, ihn zu identifizieren.
Die nächsten Maschinen blendete er, indem er Messer warf und ihre Glasaugen zerstörte. Andere setzte er mit einem kräftigen Fußtritt außer Gefecht. Vier waren lediglich holographische Projektionen, wie er an winzigen Unstimmigkeiten der Lichtverhältnisse erkannte – ein Trick, den Thufir Hawat ihm beigebracht hatte.
Einer der Ausbilder war kaum mehr als ein Junge gewesen, doch hinter dem Milchgesicht verbarg sich ein tödlicher Killerinstinkt ... ein Ninja-Krieger, der die Schüler in verstohlenen Methoden des Tötens und der Sabotage unterrichtete, in der Kunst, sich im leichtesten Schatten unsichtbar zu machen und völlig lautlos zuzuschlagen. »Manchmal lässt sich mit einer unbemerkten Berührung die dramatischste Aussage treffen«, hatte der Ninja gesagt.
Duncan kondensierte acht Jahre der Ausbildung, indem er Parallelen zwischen den verschiedenen Disziplinen zog, methodische Ähnlichkeiten sowie Unterschiede nutzte. Einige Techniken waren eindeutig auf die gegenwärtige Situation anwendbar. Seine Gedanken rasten, um die besten auszusuchen und die angemessene Reaktion auf jede Herausforderung zu finden.
Als er an den letzten tödlichen Maschinen vorbeistürmte, spürte er, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb pochte. Duncan folgte den Wegweisern und stolperte den Abhang zum zerklüfteten Ufer hinunter, während er sich immer noch innerhalb des Kraftfeldes befand. Rot leuchtende Suspensoren führten ihn zu einem schäumenden weißen See aus Geysiren und vulkanischen Quellen. Doch ständig schwappten aquamarinblaue Wellen über den Rand des felsigen Beckens und kühlten die Temperatur bis knapp unter den Siedepunkt ab.
Duncan sprang und tauchte ein. Unter der Oberfläche sprudelte Mineralwasser aus Lavaröhren. Er bekam kaum noch Luft, während er durch das heiße Wasser schwamm. Dann erreichte er eine weitere heiße Quelle, wo gefährlich aussehende Maschinen ins dampfende Wasser sprangen, um ihn anzugreifen.
Er kämpfte wie ein wildes Tier – bis ihm klar wurde, dass seine Aufgabe darin bestand, durch den Korridor des Todes zu gelangen. Dazu musste er gar nicht sämtliche Gegner besiegen. Er blockierte Schläge, trieb die Kampfmaschinen zurück, und tauchte wieder auf, um weiter den Weg entlangzustürmen, der zum Hochlanddschungel und dem nächsten Prüfungsabschnitt führte ...
Eine schmale Seilbrücke hing über einem tiefen Abgrund, eine schwierige Aufgabe für seinen Gleichgewichtssinn. Doch Duncan wusste, dass es noch schlimmer kommen würde. Auf der Hälfte des Weges wurden Solidholo-Bestien projiziert. Bevor sie angreifen konnten, hatte Duncan sie mit dem Speer und seinen bloßen Händen außer Gefecht gesetzt.
Trotzdem stürzte er nicht ab. Der größte Feind eines Schülers ist sein eigener Geist. Er schnappte nach Luft und versuchte seine Gedanken zu konzentrieren. Die Herausforderung besteht in der Beherrschung der Furcht. Ich darf niemals vergessen, dass es keine wirklichen Gegner sind, ganz gleich, wie real sich ihre Schläge anfühlen mögen.
Er musste jede Technik benutzen, die er gelernt hatte, verschiedene Techniken kombinieren – und überleben, genauso wie in einem wirklichen Kampf. Die Schule von Ginaz konnte ihn nur in Methoden unterrichten, aber in der Realität gab es keine Situationen, die jemals identisch waren. Die stärksten Waffen eines Kriegers sind seine mentale und körperliche Beweglichkeit, gepaart mit schneller Anpassungsfähigkeit.
Er achtete genau auf den Weg, der über den Abgrund führte, und machte vorsichtig einen Schritt nach dem anderen. Mit dem Speer kämpfte er gegen unwirkliche Gegner, bis er das Ende der Brücke erreicht hatte. Er schwitzte und war so erschöpft, dass er beinahe abgestürzt wäre.
Aber er zwang sich zum Weitergehen. Bis zum Ende.
Er rannte durch eine kleine Felsschlucht – der ideale Platz für einen Hinterhalt. Seine nackten Füße schlugen in gleichmäßigem Rhythmus auf die Bretter des Pfades. Er bemerkte die vorbereiteten Fallen. Als er eine Projektilsalve hörte, rollte er sich auf dem Boden ab und sprang wieder auf. Ein Speer flog auf ihn zu, doch er stieß sich mit Hilfe seiner Lanze ab und übersprang die Gefahr.
Er drehte sich in der Luft und landete wieder, dann bemerkte er eine verschwommene Bewegung vor dem Gesicht. Blitzschnell ließ er den Speer vor seinen Augen rotieren und spürte, wie zweimal etwas gegen den Schaft schlug. Zwei winzige fliegende Kampfmaschinen hatten sich wie selbstgelenkte Pfeile hineingebohrt.
Wieder bemerkte er frisches Blut auf dem Holzbrettern und einen Toten, der nicht weit entfernt am Boden lag. Obwohl von ihm keine Rücksicht auf gescheiterte Mitschüler erwartet wurde, trauerte er um den Verlust dieses hochbegabten Kämpfers, der ein langes Training mitgemacht hatte ... nur um hier zu sterben, in der letzten Prüfung, so kurz vor dem Ziel.
Gelegentlich erkannte er die Gesichter von Ausbildern hinter der Abschirmung – Schwertmeister, die ihn beobachteten und von denen er viele kannte. Duncan wagte es nicht, darüber nachzudenken, wie sich seine Mitschüler geschlagen hatten. Er hatte keine Ahnung, ob Resser noch am Leben war.
Bislang hatte er seine Messer und den Speer benutzt, aber nicht ein einziges Mal das Schwert des alten Herzogs. Es hing an seiner Seite und schien ihm allein durch seine Gegenwart Kraft zu geben. Es war, als würde der Geist von Paulus Atreides ihn begleiten und ihm ständig Ratschläge zuflüstern.
»Jedes Kind mit deinem Mumm ist ein Mann, den ich unbedingt für mein Haus haben muss«, hatte der alte Herzog einmal zu ihm gesagt.
Er ließ die besiegten Kampfmaschinen hinter sich, die nun reglos am Rand des Kraftfelds lagen, und stellte sich dem letzten Hindernis. Es war ein riesiger, im Boden versenkter Kessel mit brennendem Öl, der sich über die gesamte Breite des Korridors erstreckte – das Ende des tödlichen Parcours.
Duncan hustete im beißenden Rauch und bedeckte Mund und Nase mit dem Stoff seines Hemdes. Trotzdem konnte er immer noch nichts sehen. Blinzelnd versuchte er seine tränenden Augen zu klären und betrachtete den Kessel, der wie das hungrige Maul eines unterirdischen Dämons wirkte. Nur ein schmaler Rand führte rund um den Bottich, voller glitschiger Ölspritzer, die sich im giftigen Rauch verbargen.
Das letzte Hindernis. Duncan musste es irgendwie überwinden.
Hinter ihm schob sich ein hohes Metallschott aus dem Boden und hinderte ihn daran, den Weg zurückzugehen, den er gekommen war. Es war mit Shigadraht gesichert und bot keinen Halt, um daran hochzuklettern.
Ich hatte ohnehin nicht vor, wieder zurückzugehen.
»Leg dich niemals mit deinen Instinkten an, Junge«, hatte Paulus Atreides ihm geraten. Es war eine intuitive Entscheidung gewesen, als der alte Herzog den jungen Flüchtling in seinen Haushalt aufgenommen hatte, obwohl er wusste, dass Duncan von einer Harkonnen-Welt stammte.
Duncan fragte sich, ob es möglich war, den Kessel mit einem Sprung zu überwinden. Aber durch die Flammen und den Rauch konnte er den gegenüberliegenden Rand nicht erkennen. Was war, wenn der Bottich in Wirklichkeit gar nicht rund war, sondern sich weiter in der Gegenrichtung erstreckte? Eine tödliche Falle für jeden, der sich zu Spekulationen hinreißen ließ.
War der Kessel nur eine Holoprojektion? Doch er spürte die Hitze, und der Rauch brannte in seiner Kehle. Er warf seinen Speer, der mit einem unverkennbaren Geräusch gegen den Metallrand schlug.
Als er das Knirschen einer Mechanik und das Rumpeln schwerer Metallplatten hinter sich hörte, drehte er sich um und sah, dass sich das große Schott auf ihn zu bewegte. Wenn er nichts unternahm, würde er einfach in den Kessel geschoben werden.
Er zog das Schwert des alten Herzogs und ließ es durch die Luft schneiden. Die Waffe erschien ihm in dieser Situation völlig nutzlos. Denk nach!
Erwarte das Unerwartete.
Er musterte das schimmernde Kraftfeld an der rechten Begrenzung des Korridors. Und erinnerte sich an seine Übungen im Schildkampf mit Thufir Hawat. Die langsame Klinge durchdringt den Körperschild, aber sie muss sich mit genau der richtigen Geschwindigkeit bewegen, weder zu schnell noch zu langsam.
Er schwang das Schwert noch ein paarmal, um sich vorzubereiten. Konnte er die flackernde Abschirmung durchbrechen? Wenn eine langsame Klinge durch den Schild drang, konnte die Energie der Barriere beeinflusst und verändert werden. Die scharfe Schneide des Schwertes konnte das Feld verzerren und eine Öffnung schaffen. Aber wie lange würde der Schild beeinträchtigt bleiben? Konnte er seinen Körper durch die vorübergehende Öffnung bringen, bevor sich das Feld wieder stabilisierte?
Das Schott hinter ihm rückte unerbittlich näher und schien ihn zwingen zu wollen, in den brennenden Bottich zu springen. Aber diesen Weg wollte er nicht gehen.
Duncan stellte sich bildlich vor, wie er sein Vorhaben in die Tat umsetzen wollte. Seine Möglichkeiten waren äußerst eingeschränkt. Er lief zur pulsierenden Barriere und hielt an, als es nach Ozon roch und er das Energiefeld auf seiner Haut spürte. Er versuchte sich an eins der Gebete zu erinnern, die seine Mutter ihm vorgesungen hatte, bevor sie von Rabban ermordet worden war. Aber durch seinen Kopf schwirrten nur Fragmente, die keinen sinnvollen Zusammenhang ergaben.
Er packte das schwere Schwert des alten Herzogs und lehnte sich damit gegen den Schildzaun. Es glitt hinein wie in eine Wand aus Wasser. Dann zog er es nach oben und spürte wellenförmige Bewegungen im Feld. Der Vorgang erinnerte ihn an das Ausweiden eines Fisches.
Dann drängte er sich vor und folgte der Schwertspitze. Ohne allzu große Schwierigkeiten überwand er den Widerstand – und stürzte benommen auf raue Felsen aus schwarzer Lava. Er rollte sich ab und stand im nächsten Moment wieder auf den Beinen. Er hielt seine Waffe bereit, um sich gegen die Schwertmeister zu verteidigen, falls sie ihn für die Verletzung der Regeln bestrafen wollten. Plötzlich war er in Sicherheit vor dem Kessel und der vorrückenden Wand.
»Ausgezeichnet! Wir haben einen weiteren Überlebenden!« Der kraushaarige Jamo Reed, der aus dem Wachdienst auf der Gefängnisinsel entlassen worden war, eilte herbei, um Duncan zu umarmen.
Schwertmeister Mord Cour und Jeh-Wu waren ebenfalls in der Nähe. Ihre Gesichter trugen den fremdartigen Ausdruck der Freude. Duncan hatte keinen der beiden je zuvor so zufrieden gesehen.
»War das der einzige Ausweg?«, wollte er wissen, während er Schwertmeister Cour ansah und nach Atem rang.
Der alte Mann lachte ausgelassen. »Du hast einen von zweiundzwanzig Auswegen gefunden, Idaho.«
Eine andere Stimme meldete sich zu Wort. »Willst du noch einmal hineingehen und nach den anderen Möglichkeiten suchen?« Es war Resser, der übers ganze Gesicht grinste. Duncan steckte das Schwert des alten Herzogs in die Scheide zurück und schloss seinen Freund in die Arme.